Ich möchte hiermit versuchen jegliche Fragen und Gedanken zum Thema Sedierung beim Pferd aufzugreifen, aufzuklären und Vorurteile bzw. Ängste abzubauen.
Zunächst, da diese Frage immer wieder auftritt: „Sedieren Sie jedes Pferd?“
Ich sediere zur Behandlung grundsätzlich aus folgenden Gründen:

  • Minimierung des Stresses für das Fluchttier Pferd
  • Reduktion der Verletzungsgefahr für Pferd und Mensch
  • Ermöglichung einer sicheren Diagnosestellung und Beurteilung der Okklusion
  • Sicherstellen der bestmöglichen Arbeitsqualität

Eine eingehende Maulhöhlenuntersuchung ist unsediert kaum möglich. 

In einzelnen Fällen oder auf Wunsch schaue ich den Pferden auch unsediert ins Maul, um grobe Befunde zu erheben. Hierbei sind die hinteren Zähne oder Erkrankungen wie Pulpitis, Parodontitis oder die Symmetrie der Okklusion etc. nicht ausreichend zu untersuchen bzw. zu erkennen.

Die Arbeit mit den Maschinen und Instrumenten stellt für ein unsediertes Pferd eine erhöhte Verletzungsgefahr und erhöhten Stress dar. Nicht zuletzt leidet die Qualität der genauen und punktuellen Bearbeitung, zum Beispiel mögen sich unsedierte Pferde die Schneidezähne nur unzureichend bearbeiten lassen.

Ich versuche die Sedationsmenge bei einem unbekannten Pferd grundsätzlich so zu wählen, dass das Tier zum Ende der Behandlung (Dauer zwischen 25 und 45 Minuten, in Einzelfällen auch länger) zu seinem Aufwachplatz laufen kann und nach circa ein bis zwei Stunden wieder ganz der oder die Alte ist.

Ich dokumentiere die Menge und die Qualität der Sedierung und notiere bei Bedarf eine empfohlene Menge für das nächste Mal. So kann man nachvollziehen, ob die Sedierung gut gepasst hat oder nicht.

Grundsätzlich sediere ich lieber kurz nach, als zu viel zu geben. In 95% der Fälle schätze ich die Pferde richtig ein. Ich lege zudem viel Wert auf einen emphatischen und ruhigen Umgang, dies erspart in so manchem Falle überhöhte Sedierungsmengen.

Anders als beispielsweise eine Narkose, bedarf eine Sedierung keiner besonderen tierärztlichen Aufklärung. Dies wurde so entschieden, weil die heutigen Sedationsmittel derart gut verträglich sind, dass es im Grunde keine nennenswerten Risiken gäbe, über die der Tierarzt vorher aufklären müsste.

Trotzdem müssen besonders im Nachhinein einige Dinge beachtet werden. Hier eine Liste der DOs und DONTs beim Umgang mit einem sedierten Pferd:

VOR DER SEDATION

Ihr Pferd darf alles tun und lassen, auch fressen und trinken. Auf intensive Trainingseinheiten sollte aber Verzichtet werden, denn in manchen Fällen raubt z.B. ängstlichen Pferden eine Zahnbehandlung viel Energie.

WÄHREND DER SEDATION

Nach der Injektion dauert es circa ein-zwei Minuten bis die Wirkung eintritt. Es beginnt immer mit einem Leerkauen, danach beginnen die Tiere ruhiger zu werden. Der Kopf und Hals senken sich (je tiefer der Kopf, desto tiefer befindet sich das Pferd in Sedation) In den ersten fünf Minuten kann es zu einem unsicheren Stand kommen. Es ist wichtig die Tiere gänzlich in Ruhe zu lassen. Jede Unterstützung/Stütze bewirkt vermehrte Standunsicherheit. Wie bei einem Betrunkenen kann es mal zu einem Stolperschritt oder kurzfristigen Einknicken der Vor- oder Hinterhand kommen. Die Pferde balancieren sich selbstständig aus. Hier kommt die Wichtigkeit eines sicheren, rutschfesten Arbeitsplatzes zum Tragen.

Nahezu alle sedierten Pferde stehen dreibeinig, entlasten einen Hinterhuf ähnlich der Haltung beim Dösen. Diese Haltung nehmen sie automatisch ein, denn die spezielle Anatomie der Hinterhand „fixiert“ das stehende Hinterbein, so dass die Tiere keine aktive Muskelkraft zum Stehen benötigen. Zudem steht ein dreibeiniger „Tisch“ stabiler und kippt nicht. Die Pferde wenden also automatisch die Gesetze der Physik an.

Sehr aufgeregte Pferde, alte Pferde und Pferde mit unterentwickelter (Stamm)Muskulatur schwanken eher, als entspannte und normal bemuskelte Pferde.

Manche Pferde zucken zu Beginn und manche nicht. In seltenen Fällen kann eine veränderte Anwendung der Medikamente Verbesserung bringen, in den meisten Fällen ist dieses Zucken vermutlich Ausdruck psychischer Anspannung und verschwindet nach einigen Minuten.

Im Winter kann es sinnvoll sein das Pferd mit einer Abschwitzdecke einzudecken, denn manche schwitzen unter der Sedierung und könnten auskühlen.

Im Sommer halten Sie bitte eine Fliegendecke und Fliegenspray bereit, leider werden Fliegen vom sedierten Pferd als deutlich störender empfunden, als vom unsedierten Pferd.

NACH DER SEDATION

Wie bereits erwähnt, kann es zu einem vermehrtem Nachschwitzen kommen. Es sollte also eine Abschwitzdecke bereit gehalten werden.

Die meisten Pferde sind nach ein bis zwei Stunden wieder ganz die Alten. Bis dahin sollten Sie nach Möglichkeit separiert werden, damit sie nicht von anderen Pferden gemobbt werden können.

Es ist normal, dass die Tiere mehrfach hintereinander Harn absetzen, denn das Medikament wird über die Nieren ausgeschieden.

Je nach benötigter Sedationsmenge und Zeitpunkt der letzten Gabe (manche müssen nachsediert werden) sollten die Pferde ein bis zwei Stunden nichts fressen. Um dies zu gewährleisten, eignen sich ein Maulkorb oder eine leere Box bzw ein leerer Paddock am besten. Da alle Sedationsmittel appetitanregend wirken, werden sogar altes Stroh und kleinste Halme Heu gefressen. Lassen Sie sich nicht von dem müden Erscheinungsbild Ihres Pferdes trügen.
Obwohl als theoretisches Risiko nach einer Sedation beschrieben, habe ich nach einer Zahnbehandlung noch keine Koliken erlebt. Trotzdem ist es mir lieber, wenn Ihr Pferd nach einer sehr anstrengenden Behandlung etwas beobachtet wird.
Leichte Bewegung, warmes Eindecken im Winter oder bei nasskaltem Wetter und die Fütterung von Leichtverdaulichem und Energiereichem, wie Heucobs mit warmen Mash und/oder Öl sind in manchen Fällen sinnvoll. Dies gilt insbesondere für alte Pferde! Ich weise Sie in diesen Fällen darauf hin.

In aller Regel habe ich nichts dagegen, wenn Sie Ihr Pferd am nächsten Tag reiten. Nach Wolfszahnextraktionen, oder nach der Bearbeitung massiver Rampen der ersten Backenzähne sollten die Pferde einige Tage ohne Gebiss bewegt werden.
Nach Operationen wie Backen- oder Schneidezahnextraktionen gelten natürlich längere Pausen.
Die Karenzzeit für Turniere beträgt sieben Tage.

ZU GUTER LETZT

Jede Aufregung, auch die vom Besitzer übertragene, trägt zu einer verminderten Wirkung der Sedierung bei. Ich erlebe immer wieder, wie positiv die Tiere auf einen ruhigen und mitfühlenden Umgang, sowohl vor, als auch während einer Sedierung reagieren. Dies ist ein entscheidender Teil meiner Arbeit. Er hilft mir auch schwierige Pferde erfolgreich zu behandeln. Ich freue mich, wenn ich Ihnen und vor allem Ihrem Pferd ein wenig Aufregung nehmen kann und Sie mir Ihr Tier anvertrauen.